Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde unserer Gemeinde,

vor uns liegen vierzig Tage Vorbereitung auf Ostern (Fastenzeit) und dann fünfzig Tage Osterzeit. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Osterzeit, der Zeit des Geistes, denn am fünfzigsten Tag (griech. Pentekoste) wird Pfingsten gefeiert. Mehr Freud als Leid, so könnte man es von der Gewichtung auch sagen. Denn bei der Betrachtung des Kirchenjahres und seiner Feste kommt einem eines schnell abhan-den. Als die Kirche anfing zu existieren und diese liturgische Einteilung des Jahres noch nicht gesetzt war, da feierten die damals neuen Christen alle sieben Tage erneut Ostern. Sie sagten sich, dass ihr Herr nicht im Tod blieb und seither seine Gegenwart in geistiger, geistlicher Art und Weise seinen Gemeinden erwies. Sie feierten das, indem sie miteinander Brot brachen und Wein tranken und sich damit an Jesus erinnerten, wie er das mit seinen Jüngern vor seinem Tod tat und wie sie es zum ersten Mal taten, als sie aus ihrem tristen Sklavenalltag in eine neue Gemeinschaft von Gleichgesinnten eintraten. Dort erfuhren sie zum ersten Mal Beistand, Hilfe und die Überwindung von gesellschaftlichen Grenzen, denn mit ihnen standen auch oft reiche und freie Bürger des römischen Reiches mit ihnen, den Sklaven, am Altar, am gleichen Tisch. Das war die eigentliche Auferstehung des Anfangs der Kirche, indem Menschen, die überhaupt keine Existenzberechtigung hatten, durch die christliche Gemeinde Menschenwürde und Solidarität erfuhren. Quasi waren die ersten Christen so ganz lebendig „von den Toten“ auferstanden. Jetzt wissen wir, warum das Ur-Christentum so eine Anziehungskraft hatte. Damals verwandelte sich nämlich mit dem Entstehen immer neuer Gemeinden die Welt. Aus dem alten Gefüge kam neues Leben hervor. Wenn die Evangelisten vom Reich der Himmel sprechen, dann kann man diese sehr diesseitige Gesellschaftsveränderung vielleicht am besten damit in den Blick nehmen.
Wahrscheinlich hat das heutige Christentum deshalb etwas von seiner Strahlkraft eingebüßt, da die Kirche schon lange kein Ort mehr ist von Befreiung und neuer Lebensmodelle. Schon gleich am Anfang nahm man der Kirche den Wind des freien Geistes aus den Segeln, als man aus den Kirchenleitern Staatsbeamte machte. Alles fand seine Regeln und Gesetze im Rahmen der mittelalterlichen Gesellschaft. Kirche und Staat waren eins. Nachdem man in den zwei Jahrhunderten davor noch mit brutalen Verfolgungen dieses Neue bekämpfte, war die Konstantinische Wende im 4. Jahrhundert die eigentliche Decke, die das Feuer des Geistes erstickte, und zwar mit schwerem Samt und Brokat der edlen Messgewänder.
Erst jetzt nach mehr als 2000 Jahren kann die christliche Botschaft zumindest in unseren Breiten wieder freie Luft atmen. Denn wir alle genießen in unserer Demokratie die Gunst der Religionsfreiheit. Keiner wird zur Religion mehr gezwungen oder durch Geburt hinzugeordnet. Jeder und jede darf frei wählen, was und wie und ob überhaupt geglaubt werden möchte. Gerade das aber macht es häufig für Kirchenleute schwierig, da sie darin eher die Auflösung kirchlicher Strukturen sehen. Wir haben es eben nie gelernt, Struk-turen nur so lange am Leben zu erhalten, wie sie wirklich gebraucht werden. Oftmals erscheinen die Kirchen eher wie Museen denn als lebendige Orte des Glaubens. Eigentlich bedarf es nicht viel, um eine Kirche einzurichten und auszuschmücken. Wahrscheinlich lässt sich alles auf Kommunikation reduzieren. Es braucht einen Raum für Menschen, die sich begegnen, das reicht völlig aus – einen Raum, in dem die Bibel spricht, einen Raum mit einem Tisch für Brot und Wein, einen Raum zum Auferstehen. Einen Zeitraum von 50 Tagen und mehr. Vielleicht schaffen wir es ja, diesen freien Raum für uns mal zu entdecken und ihn nicht gleich wieder mit unseren Siebensachen vollzustellen. Denn im freien Raum der Begegnung, und seien es nur zwei oder drei Personen, da hat auch Gott die Chance, den Raum zu füllen mit sich.
Ich wünsche Euch und Ihnen freie und lichte Ostertage 2024. Gott ist Geist, und wir müssen ihm Raum geben und lassen. Amen.

Euer und Ihr Pfarrer Meik Barwisch


Der komplette Gemeindebrief 2/24 (März 24 – Mai 2024) kann hier heruntergeladen werden.

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